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Der Neujahrsempfang am 6. Februar 2019 war so eine runde Sache, dass wir möglichst viele darüber informieren möchten. Auf dieser Seite finden Sie den Bericht im PDF-Format zum Download und die Reden von Katharina Badenhop und Paul Simons zum Nachlesen.

Der Vorstand bedankt sich bei allen, die den Empfang ermöglicht haben.

Viel Spaß beim Lesen.

 

Landheimpädagogik der Tellkampfschule –

die Verbindung von Tradition und Zukunftsorientierung (Katharina Badenhop)

Liebe Anwesende, dieser traditionelle Neujahrsempfang ist in diesem Jahr ein besonderer: wir begehen den 90. Geburtstag des Landheims: 1929, gründeten Eltern der Tellkampfschule auf Initiative des Lehrers… einen Verein mit dem Ziel, ein schuleigenes Landheim zu bauen und entschieden sich für diesen Ort mitten im Grünen in Springe am Deister. Eltern brachten eine erhebliche Geldsumme auf, unterstützten die Bautätigkeiten, bis das Haus am Deisterhang schon nach kurzer Bauzeit bezogen werden konnte. Detaillierte Angaben finden Sie in der umfangreichen Chronik, die von Martin Werner liebevoll und in mühsamer Kleinarbeit recherchiert wurde.

Kurz gesagt: Ohne solche Willens- und Schaffenskraft einiger engagierter Lehrer, aber insbesondere der Elternschaft und ohne deren Idealismus, deren Vision von guter Bildung, ständen wir heute nicht hier.

Eine Vision hatte auch der Gründer der deutschen Landerziehungsheim- oder Landschulbewegung, der Reformpädagoge Hermann Lietz.

Er kritisierte schon früh (um 1900) die bloße Wissensvermittlung der herkömmlichen Schulen und setzte dieser die ganzheitliche Erziehung entgegen, die auf dem Lande, fern von den „feindlichen Einflüssen der Städte“ an einem möglichst naturnahen Ort stattfinden sollte. Hier sollte Schülerinnen und Schülern ein gemeinsames Leben und Lernen über die gesamte Schulzeit hinaus (nicht wie heute durch unterrichtsergänzende Angebote) ermöglicht werden durch einen lebensnahen, praxisbezogenen Zugang zum Lernen.

 

Bereits Adolf Tellkampf hatte 50 Jahre zuvor (Tellkampf war1835 bis 1869 Schulleiter der neu gegründeten Höheren Bürgerschule, später Realgymnasium) sein Erziehungsideal, das auf einem vergleichbaren Menschenbild aufbaute, formuliert: „Wir wollen den ganzen Menschen bilden und nicht nur lehren, was nützlich ist“. Damit setzte er sich bereits früh für eine ganzheitliche Pädagogik ein, die ein erfahrungsbezogenes und handlungsorientiertes Lernen einschloss und die er einer auf Leistung und Konkurrenz ausgerichtete Lernsituation gegenüberstellte.

 

Nicht umsonst ist dieser Leitsatz Adolf Tellkampfs als Leitsatz in unserem Schulprogramm verankert und ist immer noch von großer Aktualität in einer Zeit, in der man über die Umsetzung neuer Lernformen oder alternativen Modellen des Lernens, wie die „Schule im Aufbruch“, Gedanken macht, die die Persönlichkeitsentwicklung, die Potentialentfaltung des einzelnen Lernenden in den Mittelpunkt stellt.

Das Ziel guten Unterrichts ist der Kompetenzerwerb, Schülerinnen und Schüler letztlich handlungsfähig zu machen, soziale Verantwortung zu übernehmen und Antworten auf Zukunftsfragen zu finden.

Da liegt es nah, dass auch die Tellkampfschule im Rahmen der Landheimpädagogik sich dem Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verstärkt widmet und sich den globalen Herausforderungen bewusst stellt.

Es geht darum, unsere Schülerinnen und Schüler für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, wenn diese sich in der Praxis, z.B. angeleitet durch Angebote unserer Kooperationspartner oder durch schulische Unterrichtsprojekte, wie das Gelände- oder Bodenpraktikum, mit den Themen nachhaltige Ernährung oder Mobilität beschäftigen.

Im eigenen Tun und Handeln vollzieht sich die wichtige Aufklärungsarbeit, die dann eben nicht als Belehrung, sondern im Prozess verstanden wird, bei dem man sich mit den unmittelbare Problemen, z.B. dem Bienensterben vor Ort, in einem globalen Kontext (Agenda 2030) intensiv beschäftigt.

 

Unsere pädagogische Arbeit im Landheim ist vielfältig: Neben den beschriebenen fächerübergreifenden Projekten finden hier seit diesem Jahr Berufsorientierungstage für den 11. Jg. statt sowie Erlebnispädagogik und Teambildung, z.B. im Rahmen der ersten Kennenlern-Woche der neuen Fünftklässler bei Sport und Spiel in der ökologisch sanierten Mehrzweckhalle. Und unsere Lehrkräfte sind dabei, weitere Projektideen, zurzeit zum Thema naturwissenschaftliches Experimentieren und Nachhaltigkeit zu entwickeln.

 

Was bietet dieser außerschulische Lernort für großartige Möglichkeiten des Miteinander-Lernens! Es wird für jeden deutlich, dass sich Landheimpädagogik im Kern wenig verändert hat.

 

Die Tradition des Miteinander Lernens und Lebens, wie es Hermann Lietz damals auf den Weg brachte, wird an diesem außerschulischen Ort fortgesetzt und vielfältig und zukunftsorientiert gestaltet. Die Aufgaben einer zukunftsorientierten Pädagogik sind nicht verhandelbar in Zeiten des Klimawandels, der globalen Erwärmung und der Ressourcenverschwendung. In einer individualisierten Gesellschaft, in der sowohl die Vereinzelung als auch die Vielfalt, wie die Pluralisierung der Lebensformen, Entscheidungen für den Einzelnen schwer machen, muss das gemeinsame Erleben und das Miteinander ebenso im Mittelpunkt stehen.

Im Rückblick lässt sich sagen: An Ideen, Visionen und Idealismus fehlt es den Landheimern, ob Landheimteam, Vorstand oder ehrenamtlichen Helfern auch heute nicht!

Melanie, Paul, Martin und Rudi Becker – ohne Euch, ohne Euer Engagement, Eure Visionen kann ich mir unser Landheim, so wie es in den letzten Jahren gewachsen und gediehen ist, nicht vorstellen.

Ich möchte allen sehr herzlich danken, die an diesem Prozess beteiligt waren und zum Wohl des Schullandheims der Tellkampfschule beigetragen haben. Möge dies auch bis zum 100jährigen Bestehen in den kommenden10 Jahren so glücklich weiter gelingen, das wünsche ich uns allen! 

                                      Katharina Badenhop (Schulleiterin der Tellkampfschule)

 

 

Vortrag „Globale Herausforderungen und BNE“  (Paul Simons)

Ich knüpfe an den Vortrag von Dr. Matthias Miersch an und möchte Ihnen Informationen zu den Hintergründen unserer Arbeit im Schullandheim geben. (hier fehlte eine Leerzeile)

Dies erläutere ich am Thema Ernährung und Artenschutz. Ernährung ist ein Hauptthema in unserem Schullandheim.

Nach dem ersten Weltkrieg gab es aus Blockadegründen eine Hungerszeit in Deutschland. Die ausreichende Ernährung der Kinder auf dem Lande war mit ein Grund für die Errichtung der Schullandheime, auch bis in das Jahr 1928 hinein, die Reformbewegung war natürlich der Ursprungspfad für die Schullandheimbewegung. Die Kinder blieben drei Wochen in den Häusern, es fand Unterricht statt, und sie wurden auch ernährungsmäßig aufgepäppelt. Das Thema Ernährung hat in unserer Zeit durch häufig fragwürdige Nahrungsangebote aus der Lebensmittelindustrie leider wieder an Aktualität gewonnen.

Das ist ein Grund, weshalb wir uns hier mit der Ernährungsfrage auseinandersetzen. Ein anderer ist, dass die Nahrungserzeugung überwiegend ressourcenintensiv ist. Wir praktizieren, wie man sich bei einer bewussten Nahrungsauswahl mit einem geringen Ressourcenverbrauch hervorragend und schmackhaft ernähren kann. Jede Person hat hier direkte Handlungsmöglichkeiten.

Zum Thema Ernährung bieten wir für Schulklassen und Jugendgruppen  Workshops an. Dies ist ein  Baustein im Rahmen ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘. Damit sollen Menschen zu eigenständigen Entscheidungen kommen.  „Ihre Interessen und Bedürfnisse kennen und danach handeln – nicht mehr verführbar sein“ (Hüther 2018).

Mit Melanie Stahl haben wir dafür eine kompetente Person im Hauswirtschaftsbereich. Wir sind auf dem Gebiet gut, so dass wir dieses Wissen mit Empfehlung des Schullandheimverbandes  an andere Häuser weitergeben dürfen. Das Ernährungskonzept im Haus ist auf breiter Basis mit dem Beirat abgestimmt.

[Grafik Globale Grenzen (siehe links) ist vom Stockholm Resilience Centre.]

So führt etwa das Abholzen von Urwäldern in anderen Teilen der Welt zu Artenverlusten. Das geschieht z.B in Brasilien für die Sojaproduktion.

In Deutschland, sowie weltweit ist ein brennendes Problem der Insektenschwund. Seit 1980 hat die Population von Fluginsekten in Deutschland um ca. 80 % abgenommen. Dieser Aspekt wurde durch den Schullandheimverband in unser Haus eingebracht und kommuniziert. Insekten haben eine existenzielle Aufgabe in den Ökosystemen.

Wir gehen davon aus, dass der überwiegende Teil dieser Entwicklung auf die industrielle Landwirtschaft in Deutschland, und weltweit zurückzuführen ist und dass Konsumenten durch ihr Kaufverhalten direkt und kurzfristig Einfluss auf die Entwicklung des Artenschwundes nehmen können.

Das ist ein Grund dafür, weshalb wir uns intensiv mit dem Thema nachhaltige Ernährung auseinandersetzen und dementsprechend handeln. Durch den Bezug regionaler- und ökologisch erzeugter Lebensmittel unterstützen wir eine nachhaltigere Landwirtschaft. Durch den hohen Konsum von Fleisch und Milchprodukten in diesem Land werden große Mengen an Ackerflächen in Deutschland, aber z. B auch in Brasilien belegt.

 Deshalb plädieren wir für eine Reduktion beim Verzehr von Fleisch und Milchprodukten. Mindestens auf die empfohlenen Mengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Dies würde beispielsweise eine Halbierung des deutschen Fleischkonsums bewirken. Bei der DGE stehen die gesundheitlichen Aspekte im Vordergrund.

Wir kommunizieren diese Halbierung als „Sonntagsbraten-Konzept“.

Da wir ein außerschulischer Lernort für Bildung für eine nachhaltige Entwicklung sind, bieten wir den Schulklassen viel schmackhafte pflanzenbasierte Nahrung zum Kennenlernen und Testen an. Damit werden für viele neue Erfahrungen gemacht, die Entscheidungsmöglichkeiten erweitert.

 

Den Selbstcheck Ihrer Ernährung können Sie unter Internetseiten mit Kalkulationstools, wie  www.eingutertag.org  oder  www.mym2.de durchführen.

Um die Abläufe beim Kochen mit den Klassen zu verbessern, planen wir den Umbau der Selbstversorgerküche.

Wir arbeiten im Ernährungsbereich mit dem Bildungswerk-Kronsberghof zusammen, ebenso mit Milan – Wildnisküche – Outdoorkochen. Die örtliche Imkerin bietet Bienenworkshops an.

Zur Stärkung der lokalen Artenvielfalt wird das Außengelände insektenfreundlicher umgestaltet. Der Bereich Flora und Fauna wird durch Angebote vom Wisentgehege, dem NAbu und dem Förster ergänzt.

Wir arbeiten auf dem Gebiet Ernährungswende mit dem Ansatz “Jede und Jeder ist Teil des Ganzen und beeinflusst mit seinen Handlungen das Ganze“. Um zu der Ernährungswende zu kommen, sind aber auch geänderte gesellschaftliche Regeln nötig, an denen sich Produzenten und Konsumenten orientieren können. So begrüßen wir die Freitags-Schülerproteste, die ein rasches Handeln auf der politischen Ebene einfordern. Ich würde sagen hier kommen Schüler ins Handeln zur Wahrung ihrer eigenen Interesse und mit dem Ziel, dass die Erde wieder enkeltauglich wird. Ganz im Sinne von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.

Die Arbeit im Schullandheim kann nur ergänzend zur Schule und dem Elternhaus gesehen werden. Deshalb informieren wir alle regelmäßig über den Newsletter.

Erwähnen möchte ich zum Abschluss, dass durch das mehrtägige Zusammenleben der Gruppen sich alle auch von einer anderen Seite kennen- und schätzen lernen können.

Das ist unser aller Potenzial für die Zukunft. Vielen Dank!